Florian Eßer – Surviving The Madness

Florian Eßer – Surviving The Madness

Ausstellung: 25.9. – 26.10.2019

Vernissage: Mit. 25.9.2019 / 19.30 Uhr

Ort: Lokal Alte Feuerwache
Melchiorstr. 3 – 50670 Köln / Agnesviertel

(Grafik / Layout : Julian Kolb : www.julian-kolb.com )

Florian Eßer verbindet Elemente aus Comic und Graffiti mit makaberer Popkultur und der Weltsicht eines Georg Heyms: expressionistische Gesellschaftskritik trifft auf humoristische Bewältigung der modernen Realität. Dabei entstehen mal „anarchisch-provokante“ Collagen, mal bunte Gemälde, die durchaus naiv und simpel anmuten, doch bei deren näheren Betrachtung „schnell auffällt, dass sich der Künstler mit den Abgründen des Mensch-Seins befasst und sich gut darauf versteht, diese in eine wunderliche, anziehende Form zu verpacken.“

Surviving The Madness“ – den Wahnsinn überleben.

Florian Eßer über seine Ausstellung:
„Aus mehreren Gründen war der Titel für meine Ausstellung schnell gefunden. Unter ihm lässt sich der Großteil dessen zusammenfassen, was mich in den letzten Jahren bewegte und interessierte – somit ist er ein Satz, in dem für mich viel Bedeutung mitschwingt.

Zum Einen zitiert er das Lied „Born of Fire“ des US-Amerikanischen Rappers Goretex, in dem er die Schattenseite der Moderne und des Lebens in der Großstadt thematisiert: Überwachung, Gangkriminalität, Armut und die Ohnmacht des Einzelnen. Das alles bildet den Wahnsinn New Yorks, den es für den Musiker zu überleben gilt.

Ob New York, Berlin oder Köln: Den meisten Menschen, die in einer Großstadt aufwachsen, sind diese Dinge vertraut – so auch mir.

Zum Anderen wurde diese Textzeile in langen Nachtdiensten zum Mantra, die ich seit mehreren Jahren in einer Psychiatrie leiste. Morgens um 6 auf dem Heimweg in einen frischen Apfel beißen – auch das hat etwas davon, den Wahnsinn zu überleben.

Als ich dann meine Masterarbeit in Germanistik über die gesellschaftskritische Funktion des Wahnsinns im Expressionismus anhand von Beispielen des Dichters und Novellisten Georg Heym schrieb, drängte sich der Satz „Surviving The Madness“ wieder in meinen Kopf. Mir fiel auf, dass die Themen der Musik schon im Expressionismus vorhanden waren, dass es auch Georg Heym darum ging, den Wahnsinn zu überleben, diese Welt zu überstehen, an der er zerbrach.

Am 20. Juli 1909 schreibt Heym in sein Tagebuch, dass er all jene liebe „die in sich ein zerrissenes Herz tragen […] alle, die nicht von der großen Menge angebetet werden […] alle, die oft so an sich verzweifeln, wie ich fast täglich an mir verzweifle. Ich weiß nicht, was in mir für eine Krankheit sitzt.“

Diese Verzweiflung, jene ominöse Krankheit, bemerkt Heym allerdings nicht nur in sich und in vielen seiner Kollegen, er nimmt sie als omnipräsent wahr, als in der Welt tief verwurzelt und in den vielen kleinen Details des Lebens zuhause, in denen bekanntlich der Teufel sitzt. Und er macht sie zum Thema: wie für den Expressionismus üblich handeln seine Gedichte von dem drohenden Ende der Welt, von dem Moloch, von Gewalt, Suizid, Tod – und nicht zuletzt vom Wahnsinn. Der Wahnsinn ist dabei aber nicht bloß negativ konnotiert – im Gegenteil. Im Expressionismus wird der Wahnsinnige vom Leidenden zum Leitenden, zur Schlüsselfigur einer Weltrevolution, an deren Ende die Geburt eines neuen Menschen und Mensch-Seins steht. Der ‚Irre‘ hatte in der Selbstwahrnehmung der Künstlerinnen und Künstler vieles mit ihnen gemein: Beide waren von der Gesellschaft ausgestoßen, da sie sich nicht in das System eingliedern konnten oder wollten – so war der Verrückte die Identifikationsfigur einer Epoche, die gegen das Bürgertum rebellierte. Der Wahnsinn des ‚Irren‘ war der Wahnsinn der Kunst- und Literaturschaffenden, seine Entfremdung von sich selbst und der Welt ihre eigene Entfremdung.

Viele von Heyms Gedichten und Novellen erscheinen grausam, doch geht es ihm nie um den bloßen Schockeffekt, nicht um einen perfiden Voyeurismus. Seine Werke sind grausam, weil er die Welt, die er in ihnen abbildet, als grausam wahrnimmt.

Dem würde ich mich grundsätzlich anschließen, bin aber ein bisschen optimistischer veranlagt als der gute Georg: Im Titel meiner Ausstellung schwingt Hoffnung mit.

Statt Resignation und Aufgabe bringt er den Kampfgeist und Willen zum Ausdruck, dem Wahnsinn der Welt, allem was einen aus der Bahn werfen kann, die Stirn zu bieten und standzuhalten.

Manche meiner Bilder werden Ihnen vielleicht nicht gefallen, weil Ihnen die Motive oder die Darstellungsweisen nicht zusagen. Das geht für mich vollkommen in Ordnung. Aber auch ich male die Dinge nicht, um mich etwa an einem brennenden Menschen zu ergötzen, sondern weil diese Dinge existieren.

Mir geht es um die Verarbeitung der abgründigen, obskuren und dunklen Aspekte des Mensch-Seins. Obwohl sie überall um uns herum zu finden sind, gehen sie im Glitzerfilter von Instagram und co. unter. Aber fernab von dieser Welt, in der jeder dauernd Urlaub macht und Köstlichkeiten isst, liegt eine andere Welt und diese heißt Realität. Und die ist halt nicht immer nur Sonnenschein und Caipirinha.

Meine Bilder sind die galgenhumoristische Bewältigung jener Realität und des Wahnsinns, der uns umgibt. So verstehe ich meine Arbeiten als Chimären aus jener expressionistischen Gesellschaftstheorie und -kritik und urbaner Kunst und Kultur. Sie sind cartooneske, moderne Verarbeitungen expressionistischer Thematiken, die um moderne Äquivalente ergänzt und heute noch so relevant sind wie 1912, als Georg Heym in der Havel ertrank. Er überlebte den Wahnsinn nicht. „

  • Die Bilder nach Themen geordnet:
    Entfremdung – take me home, selbstporträt
    Geld – geld oder leben, art
    Gewaltkritik – Mutter Teresa, Thích Quảng Đức, end it now, moloch
    Großstadt – moloch, fear the future
    Kunst – pretty girls and ugly art, der schreck, art
    Liebe und Verlust – lumpi
    Medien/Technologie – television, fear the future
    Verschwörungstheorien – new world order, television, fear the future
    Wahnsinn – are you mad?, embrace your madnes

Kontakt: florianesser@outlook.de
instagram.com/charlie_maensn_art/